Obertongesang ist musikalisch erfahrene Akustik, die hörbare Entfaltung dessen, was Pythagoras erahnt, Fourier theoretisch gefunden und Helmholtz zum Grundgesetz der Harmonie in der Musik erklärt hat: In jedem musikalischen Ton ist die Obertonreihe enthalten und diese Reihe spiegelt die mathematische Grundstruktur von Musik wider.... Konkret, ein Mensch singt zweistimmig, indem er einem Grundton eine zweite Stimme von sinusförmigen Obertönen entlockt. Obertongesang bietet die Chance, in fast allen Altersgruppen erfahrungsorientiert „explizite Akustik“ zu unterrichten. Hier lässt sich die kognitive Durchdringung dessen, was man als Singender gleich-sam intuitiv und wie selbstverständlich tut, mit einem bewussten In-Sich-Hineinhorchen und neuen musikalischen Erfahrungen verbinden. Denn die Basis und der Ausgangspunkt praktizierten Oberton-singens ist ein Hören auf das, was die eigene Stimme, die ja jeder gut zu kennen glaubt, beim Singen produzieren kann. Ein erstes Beispiel: Eine Vorübung des „richtigen“ Obertongesanges ist das entspannte Singen von Vokalreihen. Man kann den Schüler/innen die Aufgabe stellen, ein U zu singen und zu versuchen, ohne abzusetzen zu einem I zu gelangen. Die Schüler/innen werden dabei zwei Entdeckungen ma-chen: Zum einen werden sie bemerken, dass sich zwangsweise und wie von selbst zwischen U und I andere Vokale „einschieben“ , dass jeder Weg von U nach I über andere Vokale führt. Zum anderen werden sie bemerken, dass es mehrere Möglichkeiten gibt vom U zum I zu gelangen, neben dem Weg U-O-A-E-I noch einen, den man grob mit U-Ü-I, oder einen, den man mit U-O-Ö-I beschreiben könnte.