Kompositionen

Immer wieder werde ich gefragt, ob man Obertonmusik auch notieren könne. Selbstverständlich ist dies möglich und ich möchte Ihnen hier Ausschnitte aus vier verschiedenen Kompositionen zeigen.

Bekanntlich ist die Obertonreihe nicht temperiert gestimmt. Wenn wir allerdings die Vorgabe machen, dass die Töne einer Komposition Obertöne eines bestimmten Grundtones sind, dann können wir uns unseres Notensystems etwa bis zum 16. Oberton bedienen – sie klingen dann eben ihrer Natur entsprechend geringfügig abweichend zur Notation. Je weiter wir in der Obertonfolge nach oben schreiten, desto schwieriger und schließlich ganz unmöglich wird eine Notation, da die Abstände der Obertöne zueinander so eng beieinander liegen, dass sie mit unseren Halbtonschritten als kleinster musikalischer Fortschreitung nicht mehr auszudrücken sind. Dies ist allerdings nicht besonders tragisch, da ein wirklich sauberes Singen von Obertönen über dem 16. Oberton äußerst schwierig und kaum noch zu kontrollieren ist. Unsere Zungen- und Lippenbewegungen sind dazu von ihrer Mechanik einfach zu grob und nicht mehr fein und differenziert genug steuerbar. Auf der DVD "Schimmelpfengs Obertonschule" können Sie Tonbeispiele bis zum 32. Oberton hören und auch auf verschiedene Weise notiert sehen.

"laudes"

Bei der Komposition „laudes“ für Obertonstimme solo finden Sie die Grundstimme zusammen mit den gewünschten Obertönen notiert. Bei gehaltenem Grundton variieren die Obertöne und beide Stimmen schreiten auch in Parallelbewegungen und Gegenbewegungen voran. Als vierte Möglichkeit kann ein geübter Sänger oder eine Sängerin auch den Oberton halten und die Grundtöne verändern. Der Oberton repräsentiert dann in der Beziehung zu dem jeweiligen neuen Grundton ein jeweils anderes Intervallverhältnis. 




"outsidein"

Bei dem Stück „outsidein“ begegnet sich ein Symphonic-Gong  gesungenen Obertönen. Hier ist oben eine Tonfolge für die Grundstimme notiert, darüber werden „in freier Auswahl“ Obertöne gewünscht, die durch verschiedene vorgegebene Vokalfolgen und Silben erreicht werden sollen. Im zweiten Teil dann wieder wie bei „laudes“ exakt notierte Grundtöne mit Obertönen. In der untersten Zeile sehen Sie, dass dort ein Oberton zu halten und der Grundton gleichzeitig zu verändern ist. Wenn wir genau hören, stellen wir allerdings fest, dass der Oberton sich jedesmal minimal verändert, da er  jeweils ein unterschiedliches Intervall zum neuen Grundton darstellt.

Der Kreis soll den Gong zeigen, auf den mit Weichgummiklöppeln durch Streichen auf dem Metall klare trompetenähnliche Töne erzeugt werden sollen. Die Pfeile zeigen die jeweilige Richtung des Streichens an. Um weitere Klangvariationen zu erzielen, sind an  anderer Stelle der Komposition auch der Druck, das Tempo und Richtungsänderungen des Streichens vorgegeben. Den Klang eines Symphonic-Gongs kann man eigentlich nicht notieren. Er verändert sich äußerst schnell und kann in seiner Tonhöhe nicht exakt fixiert werden. Deshalb bedient man sich hier einer freien Notation, graphischen Anweisungen und Beschreibungen. Den Klang eines Gonges so genau wie ein Klavierstück notieren zu wollen, würde im übrigen auch der Natur eines Gongklanges zuwider laufen.



"Magnificat"

Komplexer ist die Komposition „Magnificat“ für Shruti-Box, Obertonstimme und Sopran. Ich zeige hier einen Ausschnitt, in dem das Instrument, die Frauenstimme, die männliche Grundstimme und dessen Obertöne ganz exakt notiert sind. Dies zu realisieren, verlangt große Könnerschaft, sowohl im Obertonsingen als auch bei der Gestaltung der Sopranstimme. Auf der CD „Diaphanie“ können Sie dieses Stück hören und auch dieser hier gezeigte Auschnitt ist natürlich zu hören.



"Diaphanie"

Hier ein Ausschnitt aus meiner Komposition „Diaphanie“ für Kirchenorgel, Sopran und Obertongesang. Oben im System ist die Frauenstimme notiert, darunter die Obertöne der männlichen Stimme. In der Zeile darunter die männliche Grundstimme, und auf den beiden Zeilen darunter wiederum sind die Klänge der Orgel notiert. Eine komplexe Komposition über zwanzig Minuten, vom äußertsen Pianissimo ins Fortissimo aufbrausend, transparent und prägnant zugleich, zügig voranschreitend und auch wieder innehaltend und im Moment verweilend. Eine einmalige Besetzung von Instrument und Stimmen, in der Kirche St. Nicolai in Lüneburg zusammen mit der Sängerin Birke Licht realisiert. Auch diese Komposition finden Sie auf der gleichnamigen CD „Diaphanie“.