„Klänge des Lichtes "

Gregorianik, Obertöne und Gesänge von Hildegard von Bingen

Sigrid Bruckmeir – Gesang und Obertöne
Reinhard Schimmelpfeng – Gesang, Obertöne, Instrumente

In der heutigen Zeit, die immer lauter, komplexer und hektischer wird und in der sich unser Leben immer stärker beschleunigt, erleben wir die alten Kirchengesänge in ihrer klaren Klangsprache als zentrierend, klar und kraftvoll. Sie tun uns gut und wir müssen keine Experten dieser Musik sein, um uns von ihrer Ausstrahlung berühren und bewegen zu lassen.

Die klösterlichen Gesänge von Hildegard von Bingen (1098 – 1179) und der Gregorianische Choral mit seinen Antiphonen, Hymnen und Psalmgesängen können uns heute etwas von der Kraft, Tiefe und Würde der Klänge dieser Zeit vermitteln. Dort finden wir innere Ruhe, organisches Fließen, weite Bögen und schlichte Einstimmigkeit.

Mit den Obertönen verleihen beide Künstler ihrem Gesang eine besondere Strahlkraft. Über dem Grundton erklingen flötenartige Obertonlinien, die sich organisch mit den gesungenen Melodien verbinden und jeden einzelnen Ton klanglich bereichern, so wie der Duft die Blume umgibt. Auf diese Weise können die Hörerinnen und Hörer sakrale Klänge und Gesänge erleben, die erfüllen und stärken, die atmen und atmen lassen. Verschiedene Instrumente wie eine Shruti-Box, eine Oberton-Cantele oder kleine Tontrommeln verstärken behutsam die klangliche Gestaltung beider Stimmen.

Sigrid Bruckmeir und Reinhard Schimmelpfeng kommen aus der Kirchenmusik. Neben ihrer Tätigkeit als Stimmbildnerin beim Bremer Knabenchor wirkt Sigrid Bruckmeir als Chorleiterin und Musikpädagogin, Reinhard Schimmelpfeng ist als konzertierender Obertonmusiker und Dozent an deutschen Hochschulen und bei internationalen Workshops tätig. Von ihm sind bislang 7 CDs mit Obertonmusik sowie die DVD „Schimmelpfengs Obertonschule – Eine multimediale Lernumgebung zum Erlernen der Kunst des Obertongesanges“ erschienen. 

Beide Künstler sind außerdem Mitglieder der Schola Gregoriana Bremensis.



Hörproben

"O Virtus Sapientiae" - Antiphon von Hildegard von Bingen (1098 - 1179)

"Te Lucis ante Terminum" - Ambrosianischer Hymnus aus dem 7. Jahrhundert

Gregorianik und Obertöne in St. Nicolai, Lüneburg

Konzertkritik der Lüneburger Landeszeitung vom August 2013

   Gäbe es eine Musik, die nur der Mystik gehörte: sie wäre es. Die Klänge entziehen sich Zeit und Raum, schweben sachte dem Licht entgegen. Meditativ sind sie ohnehin. Die Gregorianik folgte dieser Spur und in der Oberton-Variante eignen sie sich auch für eine Gegenwart, die einerseits immer säkularer geprägt scheint und trotzdem eine breite Sehnsucht nach Spiritualität ausstrahlt. Reinhard Schimmelpfeng ist ein ausgewiesener Experte für diese besondere Spezies. Mehrfach schon gastierte er in der Lüneburger St. Nicolaikirche, nun erneut gemeinsam mit Sigrid Bruckmeir. Sie gestalteten ein Konzert, das mitten in die Seele zielte.

   Bruckmeir und Schimmelpfeng wohnen in Bremen, wirken dort in verschiedenen Ensembles und verbinden sich zum Duo „AumA“. Gregorianik und Obertöne, das passt auf den Punkt. Eine Kombination, die nie akademisch nüchterne Züge annimmt, auf intellektuelles Format konsequent verzichtet. Musik, die unmittelbar, ohne Filter anspricht. Hildegard von Bingen, die berühmte Äbtissin, lieferte als erste Frau den mittelalterlichen Klangbogen: sie schrieb Stücke, deren erhaben schlichte Struktur auf alles Prätentiöse und Effektheischende verzichtet. Glaubensbotschaften sollen es sein, unverschlüsselt und komplett entrückt von irdischer Beschwernis. Weiche, weite, warme Melodien, klar, karg und dabei sehr kraftvoll.

   Die versierten, technisch famosen Interpreten geben den Kompositionen eigenen Zuschnitt, manchmal tritt eine instrumentale Begleitung hinzu, Bambuskerbflöte oder ein lautenähnliches Instrument zum Beispiel: Fremde, faszinierende Klangwelten erschließen sich, das Original versetzt sich mit Obertönen und akzentuiert den mystischen Charakter. Die Beiträge verströmen eine tief ausgeatmete Innerlichkeit als Kontrapunkt zu einer umtriebig oberflächlichen Jetztzeit. Man muss die lateinischen Texte nicht verstehen, um die unantastbare Frömmigkeit in ihrem Duktus zu erfahren und nachzuspüren. Oft liegen mehr als 1000 Jahre zwischen Komposition und Interpretation, die Energie wirkt frisch wie einst.

   Reinhard Schimmelpfeng benannte in seinen kurzen Einführungen die interkulturellen Kontexte der Gregorianik. Bis ins ferne Japan reihen sich die Bezüge: Ausdruck einer offenbar globalen Suche nach Transzendenz. In ihren Variationen führten die beiden Künstler die Antiphone, Hymnen und Psalmen in polyphone Schichten. Ein Konzerterlebnis, das jeden Alltagsballast für eine Weile aus dem Bewusstsein schob. #hjr#.